Nachwuchsgruppe

  • Mit dem Ende der ersten Förderperiode kam auch die LOEWE-Nachwuchsgruppe “Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit”, deren Aufgabe es war, die Rolle der römisch-katholischen Kirche bei der Beilegung von Disputen (ca. 1450-1650) zu untersuchen, zum Abschluss. Drei Jahre lang analysierte die interdisziplinäre Forschergruppe um den Leibnizpreisträger Wim Decock den Einfluss von kirchlichen Institutionen, Kanonisten und Theologen auf die Lösung von Konflikten im Zeitalter der Reformation. Hierdurch leistete sie einen wertvollen Beitrag zur weiter gefassten Zielsetzung des LOEWE-Schwerpunkts „Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung“, d.i. zur interdisziplinären Erforschung gerichtlicher und außergerichtlicher Modelle der Konfliktlösung, indem sie sich auf einen gerichtlichen Akteur von überragender Bedeutung in der Geschichte der abendländischen Rechtstradition konzentrierte: die römisch-katholische Kirche.

    Dabei zeichnete sich das Projekt von Beginn an durch die Vielfalt seiner Zugriffe auf „Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit“ aus: Während die Funktionsweise kirchlicher Rechtsprechung teilweise primär aus einer „Binnenperspektive“ heraus untersucht wurde (bspw. die Gerichtsentscheidungen der Penitenzieria Apostolica in Ehesachen und ihre Rezeption auf der lokalen Ebene), nahmen andere Unterprojekte stärker eine „äußere Perspektive“ ein (bspw. die zweigeteilte Struktur im englischen Rechtssystem, die lange durch die Unterscheidung zwischen equity und common law charakterisiert worden ist). „Europäische Perspektiven“ auf die Rolle der Kirche für Herrschaft und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit wurden durch „globale Perspektiven“ auf außereuropäische Regionen (bspw. das kirchliche Konzil als Instrument der Konfliktlösung und der politischen Entscheidungsfindung im Mexiko des 16. Jahrhunderts) ergänzt. Während sich mehrere Unterprojekte auf archivalische Quellen stützten, um die „Praxis“ von Gerichten und Konzilien zu erhellen, berücksichtigte das Gesamtvorhaben ebenso Herangehensweisen von stärker „doktrineller“ Natur, welche die „Theorie“ von Gerechtigkeit und Recht anhand von Abhandlungen aus den Federn von Kanonisten und Theologen analysieren (bspw. die Lehren zum Handelsrecht der sog. „Schule von Salamanca“).

    Gleichzeitig war es den Mitgliedern ein Anliegen, in fortgesetzter Erörterung auch weiterführende Fragestellungen aufzugreifen; etwa: Wie beeinflussten sich in der Frühen Neuzeit wechselseitig gerichtliche und außergerichtliche Modi der Konfliktlösung? In welchem Verhältnis standen zueinander „richterliche Praxis“ und „Rechtslehre“ im Zeitalter der Gegenreformation? Wie hing die Jurisdiktion des Gewissens (forum internum) mit der Gerichtspraxis (forum externum) zusammen? Dabei fiel dem Projekt „Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit: philosophische Perspektiven“ (Rafael Van Damme) die Aufgabe zu, die „großen Linien“ in der Geschichte von „Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit“ aufzudecken, um unser Verständnis davon zu mehren, wie sich diese Mikrohistorie in die weiter umrissene Geschichte vormoderner und moderner Alternativen zu exklusiv säkularen und gerichtlichen Modellen der Konfliktlösung einfügt. In derselben Absicht stand die Nachwuchsgruppe im fortgesetzten Dialog mit Forschern innerhalb und außerhalb des LOEWE-Schwerpunkts „Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung“; insbesondere mit den Teilnehmern des Fellowship-Programms fand ein reger Austausch statt.

    Von solcher Netzwerkbildung konnten sowohl die beteiligten Wissenschaftler, als auch das Projekt als solches in vielerlei Hinsicht profitieren: Als Beispiel mag der von den beteiligten Jungwissenschaftlern organisierte Workshop „Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit“ dienen, der Wissenschaftler der Universitäten Cambridge, London, Berkeley, Bologna, Rom, Leuven, Maastricht und Krakau nach Frankfurt am Main führte und den Grundstein für das neue Forschungsvorhaben „The influence of Protestant Theology on the Development of modern Contract Doctrine” (Paolo Astorri) legte.

  • Das kanonische Recht des Handels: Theologen, Kanonisten und ihr Beitrag zum frühneuzeitlichen Handelsrecht (Wim Decock)
  • The influence of Protestant Theology on the Development of modern Contract Doctrine (Paolo Astorri)
  • Die Rolle der Moraltheologie bei der Entstehung des englischen Equity-Rechts (David Harbecke)
  • Die Ehegerichtsbarkeit der Pönitentiarie in partibus im europäischen Vergleich (Jasmin Hauck)
  • Das Dritte Mexikanische Provinzialkonzil (1585) als Konfliktlösungsinstanz in religiösen und säkularen Fragen (Osvaldo R. Moutin)
  • Kanonistik, Moraltheologie und Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit: philosophische Perspektiven (Rafael Van Damme)